Lithiumbatterien

Vielleicht machen sie in der Zukunft das ganze Womo mobil, aber schon heute kann das mobile Leben von den Vorteilen moderner Akkus profitieren. Hier gibt es ein wenig Theorie, in weiteren Artikeln geht es konkret um die Aufbaubatterie, die Starterbatterie sowie den Ersatz von Akkus in Zubehör. Ein weiteres Kapitel widmet sich dem Eigenbau als Alternative zu Fertigbatterien.
LiFePO4
Die interessanteste Ausprägung von wiederaufladbaren Lithiumbatterien im Hinblick auf das Mobildomizil sind diejenigen mit Lithium-Eisenphosphat (LFP oder LiFePO4) als Aktivmaterial an der positiven Elektrode. Sie sind zwar rund doppelt so gross und schwer wie die aus mobilen Telefonen und Computern bekannten Lithium-Ionen-Akkus bei gleicher Kapazität, dafür aber inhärent sicher. Cobaltoxid-Zellen werden ab 180 °C instabil und können einen Brand verursachen. LFP-Zellen verhalten sich dagegen ähnlich wie AGM-Batterien, d.h. im Extremfall (Kurzschluss, Umgebungsfeuer) können sie platzen. Weil sie aber keinen ätzenden Elektrolyten enthalten, sind sie sicherer zu handhaben als Bleiakkus. Gegenüber diesen sind sie auch erheblich kompakter, leichter und umweltfreundlicher. Noch interessanter sind die elektrischen Eigenschaften: durch die Zellspannung von 3,2V lassen sich herkömmliche Bleiakkus einfach ersetzen - 6V-Akkus durch 2 Zellen, 12V-Akkus durch 4. Sie sind robust gegen Überspannung, daher können übliche Ladegeräte weiterverwendet werden, wenn sie keine hohen Spannungen zur Desulfatierung einsetzen. Sie können sehr hohe Ströme liefern, und die Kapazität ist voll nutzbar. Während ein Bleiakku immer voll aufgeladen sein sollte, können die Lithiumbatterien in beliebigem Ladezustand lange gelagert werden. Einen weiterer Unterschied ist, dass eine voll geladene Zelle den Strom nicht mehr leitet. Dies führt zu einem guten Wirkungsgrad, aber auch zu einem Problem beim Laden mehrerer Zellen in Reihenschaltung, da die erste vollgeladene Zelle den Stromfluss unterbricht und somit die Ladung aller Zellen beendet. Dies verhindert man entweder durch Laden einzelner Zellen oder durch passive Balancer, die parallel zu jeder Zelle geschaltet sind und ab Erreichen der Ladeschlussspannung der Zelle auf Durchgang schalten, sodass die anderen Zellen weitergeladen werden. Bei der ersten Aufladung sollte man die Batterie mit 14,4-14,6 V so lange laden, bis alle Balancer gleichmässig warm werden. Dann sind die Zellen perfekt ausbalanciert, und die Funktion der Balancer wurde auch gleich mitgeprüft. Bei Verwendung einzelner Zellen mit unterschiedlichem Ladezustand müssen diese aber zunächst auf etwa gleiches Ladungsniveau gebracht werden, z.B. durch Parallelschalten und Laden. Eine Alternative sind aktive Balancer, die den Spannungsausgleich zwischen den Zellen durch aktives Umladen (über DC-DC-Wander) vornehmen. Vorteile sind der geringe Verlust und damit kaum vorhandene Wärmeentwicklung, und die Funktion bei jedem Ladezustand - sogar eine Kapazitätsdifferenz der Zellen kann damit ausgeglichen werden. Der höhere Preis fällt durch die hohen Stückzahlen im Vergleich zu den Zellen nicht mehr gross ins Gewicht.
Nachteile gibt es natürlich auch, sonst wären Bleiakkus schon verschwunden. Zuerst natürlich die schlechtere Verfügbarkeit - Bleibatterien gibt es in jedem Baumarkt, LFP muss man bestellen. Gern erwähnt wird auch der hohe Preis, der ein mehrfaches bei gleicher Kapazität beträgt. Allerdings ist der direkte Vergleich der Kapazität in Ah ein Denkfehler: bei Bleibatterien ist die Angabe häufig schon im Neuzustand geschönt, sie nimmt über die Nutzung kontinuierlich ab, und der Verschleiss wird bei starker Entladung beschleunigt. Daher sollte man Bleibatterien nur zu weniger als 50% entladen, und bei einem Ersatz durch LFP wird ein Viertel bis die Hälfte der Kapazität eine vergleichbare Nutzung ermöglichen. Die bisher gewonnenen Langzeiterfahrungen (>10 Jahre) sprechen ausserdem für eine wesentlich längere Haltbarkeit. Wenn man also nicht einfach die Kosten pro Amperestunde vergleicht, sondern die Nutzungszeit, genutzte Energiemenge oder die Kosten für plötzliche Ausfälle in Betracht zieht, wird LFP in vielen Fällen deutlich billiger sein. Ein weiterer Nachteil von LFP ist der unübersichliche Markt: es gibt wenig Normteile, Zellen sind als Quader, Rundzellen oder Folienpacks erhältlich, mit jeweils unterschiedlichen Anschlüssen. Selbstbauer müssen demnach einiges recherchieren, um eine sinnvolle und passende Batterie zusammenbauen zu können. Schliesslich sinkt die Leistung von LFP-Batterien bei tiefer Temperatur stärker als bei Bleibatterien, bei starkem Frost (unter -10 °C) leisten sie überhaupt nichts mehr. Der Vorgang ist reversibel, die Batterie nimmt also keinen Schaden durch die Lagerung bei tiefer Temperatur. Allerdings ist die Nutzung als Starterbatterie für ganzjährig genutzte Fahrzeuge daher nicht optimal. Reicht die Leistung bei tiefen Temperaturen nicht aus, um das Fahrzeug zu starten, ist es ausreichend, die Batterie zu erwärmen, z.B. durch Betrieb, indem man das Licht anmacht. Ausserdem sind neuere Zellen mit Yttrium oder Magnesium im Gitter deutlich leistungsfähiger bei tiefen Temperaturen, die Entwicklung bleibt hier nicht stehen.
Das Ende der Geschichte soll nicht unerwähnt bleiben: es ist auch interessant, wie LFP-Zellen wegsterben. Durch unerwünschte Prozesse wächst eine nichtleitende Schicht an der Elektrodenoberfläche, dadurch steigt der Innenwiderstand der Zelle. Das führt dazu, dass die Spannung bei Belastung zunehmend einbricht, bis die Batterie irgendwann unzureichend funktioniert, also z.B. der Wechselrichter auf Störung geht. Die Kapazität ist von diesen Vorgängen weit weniger betroffen als die Leistungsfähigkeit; für Anwendungen mit geringerem Strombedarf ist die Batterie daher noch nutzbar. Dieser Verschleissvorgang ist temperaturabhängig; zwischen 25 und 45 °C sind viele Tausend Zyklen (Vollständiges Laden - Entladen) ohne grossen Verschleiss möglich. Bei 0 °C oder 55 °C fällt dagegen die Belastbarkeit "schon" nach wenigen hundert Zyklen auf etwa ein Viertel. Daraus wird mitunter eine fehlende Wintertauglichkeit der LFP-Batterien abgeleitet. Ich halte das für einen Fehlschluss, da man mit einigen hundert Zyklen immer noch im Bereich der Bleibatterien liegt, und die betroffenen Temperaturbereiche im Womo fast nie erreicht werden. Ausserdem gelten die Zahlen für LFP-Zellen der ersten Generationen (um 2010), neuere Zellen sind für tiefere Temperaturen geeignet. Die Spezifikation des Herstellers gibt hier verlässliche Auskunft.
Vergleich LFP- und Bleibatterien
Hier noch einmal in Tabellenform die Vorteile der jeweiligen Batterietechnik, wobei die Vorteile der einen natürlich einen Nachteil der anderen darstellen. Die Tabelle nennt nur Unterschiede; grundsätzlich geeignet zur Nutzung im Wohnmobil, unbrennbar und potentiell gefährlich bei Kurzschluss sind beide.
Vorteile Lithium-Eisenphosphat | Vorteile Blei-Säure, AGM oder Gel |
Deutlich kleiner und erheblich | Hohe Verfügbarkeit in Baumärkten, |
Billiger pro Zeit oder genutzter Energiemenge bei langer Nutzungsdauer | Billiger bei gleicher Nominalkapazität (Ah) und pro kg |
Kann hohe Ströme liefern bei gleichzeitig hoher Zyklenzahl, auch teilentladen. Voll entladbar. Wenig Kapazitätsrückgang über die Lebensdauer. | Kann vollgeladen kurzzeitig hohen Strom liefern, auch bei sehr tiefen Temperaturen oder nahe dem Ende der Lebenszeit. Ausnahme Gel: erhöht die Zyklenzahl und Lagerfähigkeit, aber auf Kosten von Hochstromfähigkeit und etwas Mehrgewicht. |
Elektrisch durch das passende Spannungniveau kompatibel zu jeder Bleiumgebung (Ausnahme: Entsulfatierungsfunktion). | Durch leitfähigen Elektrolyten vollständiges Laden aller Zellen bei Reihenschaltung, keine Balancer notwendig |
Spannungsstabil über einen breiten Ladezustand und über die Lebensdauer | Spannung der unbelasteten Batterie kann zur Abschätzung des Ladezustands verwendet werden |
Modularer, reparaturfreundlicher Aufbau (wenn nicht verklebt); lageunabhängig verbaubar; Wahl zwischen Fertigbatterie und Eigenbau | Fertigbatterien in zahlreichen Dimensionen, wählbarer Polung und einheitlichen Anschlüssen verfügbar |
Sehr langlebig, sowohl auf Alter als auch auf Zyklenzahl bezogen | Etablierte Recyclingstruktur |
Bei Eigenbau sehr breiter Bereich an Baugrösse und Kapazität möglich | |
Beliebige Orientierung der Batterie bei Rundzellen, auch über Kopf, Optionen der Orientierung bei prismatischen Zellen | |
Zellenverschleiss durch steigenden Innenwiderstand, kein plötzliches unangekündigtes Versagen | |
Einfach zu laden, keine Temperaturabhängigkeit, geringe Anforderungen an Stabilität der Spannung | |
Guter Ladewirkungsgrad von rund 90% gegenüber ca. 65% bei Bleibatterien. Dadurch effizientere Nutzung des Solarertrags. | |
Unterschiedlich grosse oder alte Batterien können problemlos parallel betrieben werden, auch zusammen mit Bleiakkus als Hybrid | |
In jedem Ladezustand lange lagerfähig, kaum Selbstentladung | |
Sehr robust gegen Tiefentladung und Überspannung, selbst bei irreversibler Schädigung weiter nutzbar | |
Sicherer: kein ätzender Elektrolyt, keine Schwermetalle, kein Gasen |
Die Theorie
Eine Batteriezelle hat eine Anode (Minus) und eine Kathode (Plus). Lithium ist ein wirklich sehr leichtes Leichtmetall, eine Art Mittelding aus Aluminium und Knetmasse. Nimmt man Lithium als Anode und ein Oxidationsmittel wie Mangandioxid als Kathode, und dazwischen eine ionische Flüssigkeit (eine Art flüssiges Salz), dann ist die Lithiumbatterie im Prinzip fertig. Das Lithium kann durch das Salz wandern und mit dem Kathodenmaterial reagieren, aber nur als Ion - die Elektronen müssen aussenrum. Das gibt den Strom. Der chemische Trick besteht darin, dass das Elektron vorher am Lithium und hinterher am Mangan hängt. Der physikalische Trick ist die räumliche Trennung der Teilreaktionen, sodass das Lithium-Metall nicht direkt mit dem Mangan(IV) reagieren kann; die Reaktion findet also nur bei geschlossenem Stromkreis statt.
Wenn die Batterie wiederaufladbar sein soll, wird es ein wenig komplizierter. Das fängt mit den Begriffen an, da sich beim Ladevorgang die Stromrichtung umkehrt und damit die Definition von Anode und Kathode vertauscht. Eindeutiger sind die Begriffe "negative Elektrode" für Minus und "positive Elektrode" für Plus. Eine Zelle wie oben beschrieben kann man nicht einfach wieder aufladen, weil sich das Lithium an der negativen Elektrode nicht als kompaktes Metall abscheiden würde, und die entstehenden "Fäden" (Dendriten) einen Kurzschluss innerhalb der Zelle verursachen.
Man benötigt daher ein zusätzliches Aktivmaterial, welches metallisches Lithium aufnimmt wie ein Schwamm das Wasser, sodass sich die räumliche Struktur der Zelle über den Lade/Entladevorgang nicht ändert. Das Lithium ist dabei im Kristallgitter eingelagert. Hier ist Graphit meist das Mittel der Wahl, weil es billig, leitfähig und robust ist. Die Schichtstruktur erlaubt es, grosse Mengen Lithium einzulagern.
An der positiven Elektrode wird es interessanter: Das Aktivmaterial muss Eletronen aufnehmen können, etwa durch Reduktion eines Metallions, und ausserdem Mischkristalle mit Lithiumionen bilden können. Die Wahl dieses Materials (z.B. Cobaltdioxid, Eisenphosphat oder Mangandioxid) hat entscheidenden Einfluss auf die elektrischen Eigenschaften der Zelle wie Spannung und Energiedichte, aber auch auf die Zyklenfestigkeit und die sichere Handhabung. Entscheidend deshalb, weil die Unterschiede in der Chemie begründet sind. Es handelt sich also um Zellen mit völlig unterschiedlichen elektrischen Eigenschaften, unabhängig von Bauform oder Spezifikation. Der wichtigste Punkt ist die Nominalspannung der Zelle.
"Aktivmaterial" bedeutet hier, dass es direkt an der elektrochemischen Reaktion beteiligt ist. Damit daraus eine funktionierende Elektrode wird, sind weitere Materialien wie Leitruss und Metalle nötig. Sie stellen die physikalische Stabilität sowie die Leitfähigkeit sicher, und haben Einfluss auf maximale Lade- und Entladeströme sowie erlaubte Betriebsbedingungen (z.B. Temperatur).
Titelbild: am Jadransko more bei Novigrad