Festgefahren

Die Geländegängigkeit handelsüblicher Pkw wird gemeinhin unterschätzt. Eine Schotterstrasse und selbst ein Waldweg sind noch kein Gelände, und wenn man wirklich komplett von der Strasse runtermuss, ist meistens die Bodenfreiheit der limitierende Faktor, und nicht der fehlende Allradantrieb. Bei der Bodenfreiheit ist nicht nur der Platz unter der Kiste wichtig, sondern auch der Radstand und die Überhänge (vor der Vorder- und hinter der Hinterachse). Klassische Wohnmobile sind hier im Nachteil, aber es fährt ja auch keiner mit einem Vollintegrierten in Island durch die Flüsse durch. Wenn man ein bisschen Sorge getragen hat, dass nicht gerade die empfindlichsten Teile zuerst aufsetzen – ich habe dazu die Steckdose an der Anhängerkupplung hochgesetzt – sind auch Feldwege, Campingplätze und Wiesen mit einem normalen Wohnmobil kein Problem.
Es sei denn, es regnet.
Genaugenommen, es hat geregnet, aber zu einem Zeitpunkt, wo das Wohnmobil schon in der Wiese stand. Sonst setzt ja meist rechtzeitig das Hirn ein, und man möchte keine Frösche und Enten überfahren. Wer schon diverse Rallyes gefahren hat, kann über das Szenario nur lächeln, aber die meisten Wohnmobilfahrer haben ihre Sandbleche aus Gewichtsgründen nur auflackiert, wenn überhaupt. Da ist es gut, wenn man ein paar Tricks in der Hinterhand hat, wie man da wieder rauskommen kann:
Eine Schaufel oder ein Klappspaten hilft, vor den Reifen ein bisschen Matsch abzutragen. Wenn es ein paar Dezimeter geradeaus geht, kann der Schwung reichen, dass man auch noch weiter kommt.
Luft ablassen ist ein guter Trick, um die Traktion in Matsch oder Sand erheblich zu verbessern. Man sollte aber einen Kompressor an Bord oder eine Tankstelle in der Nähe haben, damit man auf der Strasse auch wieder auffüllen kann.
Ein Bergegurt ist dann hilfreich, wenn es willige Helfer gibt. Abschleppseile oder -stangen gehen auch, haben aber mehr Platzbedarf. So oft braucht man das ja nicht, und wenn man das Zeug nicht dabeihat, hilft es auch nichts.
Eine Bergewinde, am besten mit Kunststoffseil oder Gurt, ist natürlich das Nonplusultra. Weniger Aufwand mit Montage und TÜV-Abnahme hat man mit einem manuellen Greifzug. In beiden Fällen muss man erheblich Zeug mitschleppen, da man das andere Ende irgendwo festmachen muss - man braucht also zusätzliche Seile, Erdanker und dergleichen. Der Umgang mit Seilwinden ist auch nicht ganz ohne, sodass das für Gelegenheitsnutzer keine Option ist.
Sandbleche sind eine feine Sache, wenn man sie braucht und auch zufällig dabeihat, oder am betreffenden Ort findet. Bei nicht-militärischen Fahrzeugen sind sie auch eine gute Methode, den Unterboden oder Radkasten zu beschädigen, wenn man sie mit dem durchdrehenden Rad rausschiesst. Flexible Versionen aus Kunststoff sind daher im zivilien Bereich vorzuziehen. Provisorien wie Fussmatten werden auch gerne genommen, eignen sich hinterher aber manchmal nicht mehr zum ursprünglichen Zweck.
Schneeketten sind ein Klassiker für mehr Traktion. Beliebt sind sie vor allem im Winter und in den Bergen, weil da häufiger Schnee liegt. Sie sind aber auch auf losem oder matschigem Untergrund sehr hilfreich. Hat aber zwei Nachteile: erstens muss man sie dabeihaben, so ganz leicht und kompakt sind sie ja nicht. Und zweitens hat man beim Runternehmen eine ziemliche Sauerei dabei. Eine praktische Alternative sind Traktionskabelbinder. Den Namen hab ich mir ausgedacht, keine Ahnung, wie die heissen. Grosse, orange Teile, die wie Kabelbinder funktionieren. Sie sind aber dicker und lassen sich wieder öffnen. Auf den Werbebildchen sind da acht Stück ums Rad verteilt, aber zum Rauskommen können schon eins oder zwei reichen. Sie sind leicht und nehmen nicht viel Platz weg.
Bauer
Profi-Bergedienst mit Kran (billiger als neue Kupplung)
Vor zwei Techniken sei an dieser Stelle gewarnt: Rausschaukeln ist ein beliebter Trick, vor allem bei kleineren Autos. Kann klappen, geht aber sehr auf die Kupplung - daher höchstens ein, zwei Mal probieren. Dann sieht man auf Videos aus dem Offroad-Bereich gern mal, dass ein durchhängender Gurt vom anfahrenden Auto mit Schwung straff gezogen wird. Das ist in der Tat die schnellste Methode, freizukommen, oder alternativ den Gurt durchzureissen oder ein Teil vom Auto ab. Bei den Jungs, die das machen - sind irgendwie immer Jungs - sind drei Sachen anders als beim Womo: erstens nehmen die richtig dicke Gurte vom LKW-Typ, die auch noch schön lang und damit etwas elastisch sind. Dann befestigen sie die an Fahrzeugteilen ihrer Offroader, die ich in der Ausführung am Womo noch nicht gefunden habe - die kennt man sonst eher vom Güterbahnhof. Und schliesslich haben die auch immer ein echtes Problem - Paradebeispiel: die Flut kommt - und damit nicht die Zeit, die man sich in der Situation besser nehmen sollte.
Titelbild: Ravenscar