Tempomat

Für unseren Renault Master (Modell 2008) gibt es als Nachrüsttempomaten den MS-902 aus der MS-900er Serie von Waeco, der dank Canbus-Anschluss auch leicht zu montieren ist. Im Prinzip ist das ein schwarzes Kästchen mit drei Anschlüssen: drei Einzelkabel an die Schnittstelle für CAN und Strom, ein Kabel mit Zwischenstecker zum Gaspedal, und ein Anschluss für das Bedienteil. Einbauanleitungen findet man reichlich im Netz, z.B. hier. Der MS-902 wird eingebaut wie der MS-880, mit dem Unterschied, dass die Programmierung etwas anders läuft (siehe die Bedienungsanleitung des Tempomaten).

Leider ist der zugehörige Bedienhebel MS-BE4 alles andere als toll. Es handelt sich nicht wirklich um einen Hebel, es sind eher Knöpfe am Stiel. Der Ein- und Ausschalter ist fummelig, und die Coast-Funktion - bei der die Geschwindigkeit nicht mehr gehalten wird, ohne den Tempomat auszuschalten - fehlt völlig. Ein kurzer Tritt auf die Bremse hat zwar den gleichen Effekt, ist aber kontraproduktiv, wenn man am Berg runterschalten möchte. Wenn man kuppelt, geht der Tempomat auch raus - allerdings trennt man dann die Kupplung unter Vollast; und dem Geruch nach zu urteilen geht das nicht beliebig oft.

Von Waeco gibt es noch den MS-BE7, ein richtiger Hebel mit Coast-Funktion und zwei Knöpfen, die für programmierte Geschwindigkeiten vorgesehen sind. Dieser Hebel passt an andere Tempomaten, die wiederum nicht für den Renault Master passen. Weil mir der Hebel so gut gefiel, hab ich ihn erfolgreich für den MS-902 passend gemacht. Wie, ist hier beschrieben.

Soweit, so gut. Doch bevor es weitergeht ein Wort der

WARNUNG
Wer hier weiterliest, verlässt den Bereich der Garantie- & Vollkaskomentalität. Hier betrittst du den Bereich der Do-it-yourself-Bastelei, und aus diesem Grund wirst du auch ungefragt geduzt. Ich gebe hier nur meine Erfahrungen weiter und dabei keinerlei Garantien ab. Von Geräten derselben Typenbezeichnung können verschiedene Hard- und Softwareversionen im Umlauf sein, daher ist es durchaus möglich, dass nicht alle Kombinationen wie hier beschrieben funktionieren – kann aber gern entsprechende Hinweise in diese Seite mit aufnehmen. Ein Mindestmass an Geschick und logischer Denkfähigkeit wird vorausgesetzt. Wenn du diesen Abschnitt verstehst und vielleicht schon die Augen rollst, bringst du gute Voraussetzungen mit.

Zur rechtlichen Seite: jedes der Teile ist homologisiert (KBA-Nr.) und bringt so etwas wie eine Gewährleistung vom Hersteller mit. Allerdings gilt das in diesem Fall nicht für die Kombination, weil sie laut Waeco „nicht passt“ und somit auch nicht von der Zulassung abgedeckt wird. Wer einen Tempomat selbst einbaut, ist natürlich für dessen einwandfreie Funktion verantwortlich, und dies gilt in besonderem Masse in diesem Fall. Hier kann man auch vermutlich keine Werkstatt beauftragen; wenn diese den Einbau abseits vom Standard ablehnt, hat sie recht, denn sie müsste ja auch Gewährleistung drauf geben. Du hast die gleiche Situation, wenn du einen Tempomaten mit anderen Bedienelementen verschaltest, z.B. solchen, die sowieso im Fahrzeug vorhanden sind. Einen Eingriff in die homologisierten Teile wird nicht vorgenommen, auch müssten die Tempomaten gegenüber falschen Anschlüssen tolerant sein, solange man keine externe Spannung anlegt. Somit ist das rechtliche wie auch technische Risiko überschaubar, aber es ist in jedem Fall das Risiko des Bastlers. Deins.

1.       Umbau des Bedienhebels

Ich habe den Hebel etwas unterhalb des Blinkers angebaut. Das ist sehr ergonomisch und stört weder beim Lenken noch bei der Lichthupe oder beim Blinken. Allerdings wird der Hebel in der Position bei Geradeausfahrt vom Lenkrad verdeckt, sodass man die Kontrollleuchte nicht sieht. Da die MS-902 mit 5V arbeitet und der Bedienhebel für 12V ausgelegt ist, leuchtet diese allerdings sowieso sehr funzelig. Mehr dazu unten.

Der MS-BE7 wird entsprechend der Farben am MS-BE4-Stecker wie gezeigt angeschlossen (gelb, braun, rot und orange). Das gelbe Kabel sieht man schlecht, unten in der Gallerie ist noch ein besseres Bild. Ein Anschluss des grünen Kabels (zwischen rot und orange) macht keinen Unterschied im Betrieb, d.h. die Coast-Funktion ist wirklich seitens des MS-902 nicht vorgesehen. Die beiden äusseren Anschlüsse (weiss) müssen überbrückt werden, wenn man den Tempomaten neu eingebaut hat, um ihn auf das Fahrzeug zu programmieren. Siehe dazu die Bedienungsanleitung des MS-902. Beim Einbau eines anderen Bedienhebels bei bereits programmiertem Tempomat ist eine Neuprogrammierung nicht erforderlich.

Die verfügbaren Funktionen sind bei diesem Anschluss identisch mit den Standard-Bedienteilen: wegdrücken vom Lenkrad schaltet den Tempomat ein oder aus, die grüne LED leuchtet entsprechend. Nach oben und unten (wie blinken am Blinkerhebel) entspricht den beiden Knöpfen am MS-BE4, also nach oben = SET (setzen der aktuellen Geschwindigkeit), nach unten RES(ume, wiederaufrufen der letzten gesetzten Geschwindigkeit). Bei gesetzter Geschwindigkeit kann man diese auch durch längeres Betätigen verändern, nach oben = ACC(elerate, beschleunigen) oder nach unten = DEC(elerate, entschleunigen). Heranziehen zum Lenkrad sowie die Knöpfe am Ende sind ohne Funktion. Der ordentliche Hebel ist im Vergleich zu den fummeligen Knöpfen am Stiel auch ohne Funktionserweiterung schon eine echte Verbesserung.

2.       Coast-Funktion (Rollen)

Eigentlich eine der wichtigsten Funktionen am Tempomaten, und meine Motivation für den Umbau. Möchte man anhalten, herunterschalten oder langsamer werden, reicht so ein kurzer Zug am Hebel, und das Fahrzeug rollt. Man kann dann einfach bei Erreichen der neuen Geschwindigkeit diese halten (Hebel nach oben) oder wieder auf die alte Geschwindigkeit beschleunigen (Hebel nach unten). An den MS-900 Tempomaten ist kein Coast vorgesehen, der Bedienhebel MS-BE7 bietet aber die Möglichkeit, die Funktion recht einfach zu ergänzen. An weiterem Material sind nur ein Relais und ein paar Kabel nötig.

Das offene grüne Kabel des Bedienhebels liefert Betriebsspannung, wenn man am Hebel zieht. Bei mir sind das 5V, selber messen ist empfehlenswert - es gibt auch Tempomaten mit 12V. Mit der Spannung lässt sich ein Relais ansteuern, mit dem ein Tritt auf die Kupplung simuliert werden kann. Hierzu muss man den Kupplungsschalter anzapfen, der einen nach Abnehmen der Verkleidung unter dem Lenkrad anlacht - das graue Teil neben dem gelben Diagnosestecker. Es handelt sich um einen Öffner, d.h. der Kontakt zwischen den Kabeln wird bei Betätigen der Kupplung unterbrochen und meldet ein entsprechendes Signal an den CAN-Bus. Wahrscheinlich ist es elektrisch gesehen ein Schliesser, der von der unbetätigten Kupplung betätigt wird, aber das spielt keine Rolle - jedenfalls muss eins der Kabel durchtrennt und mit dem Teil des Umschalt-Relais verbunden werden, welches in ungeschaltetem Zustand geschlossen ist. Polung und welches der beiden Kabel vom Kupplungsstecker du wählst, spielt keine Rolle. Die Spulenseite des Relais muss an besagtes grünes Kabel angeschlossen werden, die andere Seite an Masse. Man kann das grüne Kabel direkt an das Relais löten, ich habe ein kurzes Kabel mit Steckverbindung gewählt. Durch den zusätzlichen Stecker erhält man den Bedienhebel im Serienzustand und hat eine Fehlerquelle mehr. Das Relais muss auf die Spannung abgestimmt sein (5V oder 12V) und mindestens einen Kontakt haben, der beim Schalten öffnet - üblicherweise ist das ein Umschalter. Der geschaltete Strom ist sehr gering, ein Kfz-Relais ist genauso geeignet wie ein billiges Print- bzw. Dual-In-Line-Relais aus dem Elektronikzubehör. Elektronische oder Reed-Relais müssten genauso gehen, ich mag aber die einfache mechanische Version lieber - das Klickgeräusch verrät, ob du es richtig angeschlossen hast.  Das Relais habe ich in einem Stück Schrumpfschlauch versteckt, und Masse gab es an der Schraube über den Sicherungen. Ein paar Kabelbinder verhindern, dass irgend etwas an der Lenkung schleifen kann.

Klingt kompliziert? Ist es aber eigentlich gar nicht. Da ein Bild oft mehr sagt als tausend Worte, gibt es erst mal einen Schaltplan der Modifikation:

Und auch das sieht wieder komplizierter aus, als es ist - der ganze linke Teil ist der Standard-Bedienhebel. Das Relais wird nur an vier Stellen angeschlossen: die Spule an Bedienhebel-grün und Masse, der stromlos geschlossene Kontakt wird ins Kupplungsschalterkabel eingeschleift.

Diese Ergänzung hat einen ungewollten Nebeneffekt: wie der Schaltplan verrät, überbrückt der Zug am Hebel eine LED mit Vorwiderstand. Durch den Anschluss über die Relais-Spule nach Masse leuchtet diese LED (bei mir:orange) mit eingeschalteter Zündung. Bei eingeschaltetem Tempomat leuchtet die LED orange und grün gleichzeitig, was man nicht besonders gut sehen kann. Abhilfe schafft die nächste Ergänzungsoption.

3.       Zusatz-Kontrollleuchte

Die LED am Bedienteil, die anzeigt, dass der Tempomat eingeschaltet ist (beim MS-BE7 grün) hängt mit Vorwiderstand zwischen dem orangen und dem roten Kabel. Es spricht nichts dagegen, eine weitere LED mit Vorwiderstand parallel dazu anzuklemmen, und nach Belieben sinnvoll zu platzieren. Die Farbe kann man sich dann auch aussuchen, vielleicht passend zum Cockpit. Die Leistung der LED sollte gering sein, und die Polung ist diesmal nicht egal - kann man aber ausprobieren. Praktischerweise zeigen LEDs an, wenn sie richtig angeschlossen sind. Plus muss an orange, minus an rot, und der Vorwiderstand muss in eine der beiden Leitungen dazwischen (Reihenschaltung). Wenn man die Kabel nicht an die Stecker anlöten kann oder möchte, kann man auch die abisolierten Enden um die jeweiligen Stecker wickeln und mit Schrumpfschlauch fixieren. Dadurch kann auch ohne weiteres auf den "Originalzustand" zurückgebaut werden.

4.       Hintergrundwissen für eigene Forschungsarbeiten

Dies ist erst mal der Schaltplan der Bedienhebel. Die Information kommt teilweise aus dem Netz, den MS-BE7 habe ich selbst ausgemessen, ohne ihn zu öffnen. Mein MS-BE4 hat gegenüber dem Schaltplan noch ein zusätzliches rotes Kabel, an dem die grüne LED mit Vorwiderstand hängt, während das grüne von orange über eine rote LED und eine Art Z-Diode angeschlossen ist. Sinn und Funktion sind mir nicht ganz klar, aber die LED im Bedienhebel hat nie rot geleuchtet (ist eigentlich nur eine zweifarbige LED, mit Anschlüssen für rot und grün). Ausserdem ist der Vorwiderstand geringer, was zu der Spannung von 5V passt, die ich an meinem MS-902 gemessen habe. Es scheint also doch nicht alles zu stimmen, was im Netz steht - eine echte Enttäuschung.

Bei meinem Umbau bleiben blau und schwarz offen, das sind die Anschlüsse für die Knöpfe am Ende des Hebels. Die eigentliche Funktion - Programmierung vorgewählter Geschwindigkeiten - steht an den 900er-Tempomaten nicht zur Verfügung, und eine sinnvolle Verwendung ist mir bisher nicht eingefallen. 

Titelbild: Gotthard